ReiseberichteMalediven 2022

Malediven völlig anders

Gestreifte Haie, Radtouren und zwei Einheimischen-Inseln

von Daniel Brinkmann

„Kennste eine, kennste alle! Aus der Vogelperspektive sehen sie ja doch alle aus wie Spiegeleier… Grüne Palmen in der Mitte, ein Kringel weißer Sand drumherum, dann türkise Lagune und hinterm Hausriff wird’s tiefblau.“ Zugegeben: Natürlich punktet jedes Atoll und jede einzelne Resort-Insel mit feinen Unterschieden – schließlich liegen die Inselchen ja nicht alle am Außenriff oder mitten im Atoll, und haben ja auch nicht umsonst eine unterschiedliche Zahl Sternchen inne. Aber Hand aufs Herz – wer nicht gerade in einem schwimmenden Hotel von Atoll zu Atoll pendelt, weiß nach ein, zwei „normalen“ Malediven-Urlauben was er oder sie oder * erwarten kann. Der Anspruch meiner Gruppentour mit 15 Teilnehmern war eine bewusste 180-Grad-Wende:
Tigerhai- statt Rochenfütterung, zwei Einheimischen-Inseln mit Gästehäusern statt Edelresort im edlen europäisch geprägten Elfenbeinturm, Radtouren mit Sightseeing statt Wellness-Behandlung…

Bei prächtigem Wetter – so sollte es für die gesamten zwei Wochen bleiben – erreichte unsere bunt gemischte deutsch-österreichische Gruppe nach dem Langstreckenflug und eineinhalb Stunden Inlandsflug mit Äquatorüberquerung Fuvahmulah, die drittgrößte Insel der Malediven. Dank der kurz zuvor gelockerten Corona-Spielregeln entfielen nicht nur der PCR-Test, sondern auch die Maskenpflicht, sobald man dem Flugzeug entschwunden war.
Nach der Ankunft im Veyli Residence und früher Bettflucht ging es am nächsten Morgen – so wie immer auf Fuvahmulah – kurz nach Sonnenaufgang zum Frühstücksbuffet und postwendend aufs Tuck-Tuck der deutschen Tauchbasis DivePoint Fuvahmulah und auf das schnittige moderne Speedboot, mit dem jeder Tauchplatz innerhalb von zwanzig Minuten erreicht ist. Neben der komfortablen Alternative zu den landestypischen Dhonis überzeugt vor allem die Verwendung und Ausstattung der Gäste und Guides mit dem Seenotrettungssystem ENOS, mit dem abgetriebene Taucher schnell lokalisiert werden können. Meiner bescheidenen Meinung nach ein absolutes Muss auf einer Insel in der Mitte des blauen Nirgendwo.
Die schlechte Nachricht zuerst: Aus unerfindlichen Gründen gab es trotz der eigentlich optimalen Jahreszeit selbst während des Vollmonds keine nennenswerte Strömung und die Wassertemperaturen fielen hoch aus – auch auf einer Hochseeinsel keine guten Voraussetzungen für perfekte Sicht und Begegnungen mit den Bewohnern des offenen Ozeans. Mit Ausnahme des Tigerhai-Spots unmittelbar am Hafen (wo sonst zu dieser Zeit auch über 40 Meter Sicht üblich sind), reichte der Blick aber fast immer mindestens 20 Meter weit. Und die gestreiften grauen Jungs mit ihrem markanten Quadratschädel und den ebenso markanten Schildkrötenpanzerknacker-Zähnen waren nicht nur in überdurchschnittlicher Zahl zur Stelle, sondern auch außerordentlich kamerafreundlich. Trotz Sicherheitstauchern, Haistock (als Barriere eingesetzt) und Aufreihung der Taucher in einer Linie konnte man das Atmen schon mal vergessen, wenn ein kleines Tigerchen im Ein-Meter-Abstand vorbeisegelt und man die Hautschuppen zählen oder mit den Äuglein flirten kann. Zumal während der dreißigminütigen Slots an die 15 Tigerhaie zwischen knapp zwei Meter und vier Meter Länge vorbeischauten. Damit hält Fuvahmulah derzeit den Weltrekord in Sachen Tigerhaie und hat seinen Beinamen „Tiger Beach des Ostens“ absolut verdient. Bei acht planmäßigen Tauchgängen an diesem Spot und weiteren, eher zufälligen Begegnungen kam jeder Reiseteilnehmer auf mindestens vier Stunden Tigerhaie netto. 😉 Das dürften unsere 15 Haiflüsterer mit ungefähr 0,01% der Weltbevölkerung gemeinsam haben – und 99,9 Prozent der Weltbevölkerung würden vermutlich dankbar nein sagen dazu…
Seinen zweiten Spitznamen „Galapagos der Malediven“ wurde Fuvahmulah – im Gegensatz zu meinem ersten Aufenthalt für die Magazine tauchen und Diver genau ein Jahr zuvor – wie bereits angedeutet leider nicht wirklich gerecht. Das tiefe Plateau Farikede, das sich von der Südspitze der Insel mehr als zwei Kilometer ins offene Meer absenkt, präsentierte sich leider eher fischarm. Dafür gab es dort und an der Nordspitze fast jeden Tag mindestens ein bis zwei Fuchshaie, zwei riesige Hochseemantas – beide Spezies leider nur auf der Durchreise – zwei mal einen riesigen Schwarm Bonitos und den ortsansässigen Schwarm aus mehreren tausend Stachelmakrelen mit einem Mini-Kindergarten aus Grau- und Weißspitzen-Riffhaien und Thunas, die hier und da herzhaft zubissen. In die Makrelen natürlich. Bizarrerweise schwammen Räuber und Beute danach wieder Flosse an Flosse. Den Walhai bekamen die Taucher auf dem anderen Boot zu Gesicht, doch wo die im Jahr zuvor so häufigen Gruppen von Silberspitzen-Haien und die Segelfische geblieben waren… das weiß nur Neptun. Eine Überraschung bildeten neben vielen kleinen Schildkröten verschiedenfarbige Schaukelfische und winzige Nacktschnecken auf den völlig intakten Riffen, die aufgrund ihrer Zusammensetzung aus 98 Prozent Steinkorallen mehr an die Coral Sea oder Mikronesien erinnern als an die „klassischen Malediven“, die wir nach zehn Tagen auf Guraidhoo erleben sollten (ja, das war Teil meines Reiseplan-Kalküls 😉).

Doch gab es ja auch noch eine einmalige Insel – nicht nur die drittgrößte, sondern vielleicht auch die abwechslungsreichste und schönste der Malediven – zu entdecken. Butter bei die Fische: Die von Gästehaus und Tauchbasis organisierten Fahrräder (man muss erst einmal genügend finden auf einer Insel) schwankten zwischen modernem Beach Cruiser-Mountainbike, Bollywood-Hollandrad mit Rücktrittbremse und „Nee, das nehm‘ ich nicht“-Drahtesel… am Ende waren es aber genügend akzeptable für alle. Auf eigene Faust, oder zum Amüsement der Einheimischen im Konvoi, ging es entlang von Bougainville-geschmückten Häusern in gleich sechs Dörfern ging es über sandige Wege zu Überbleibseln der buddhistischen Zeit, Palmenhaien, zum Ufer des großen Süßwassersees Bandara Kilii, zu Friedhöfen und dem mit über zwei Kilometern Länge vielleicht prächtigstem Strand der Inselnation (Thundee Beach), deren weiße Kieselsteine im ganzen Land bekannt sind und gegenüber dem Sand langsam rar werden. Klarer Fall: Jenseits der einen asphaltierten Küstenstraße war der Weg das Ziel, zumal Landschaft, dschungelartige Vegetation und die ganze Lebenswelt gefühlt ein wenig an Philippinen und Indonesien erinnerten, doch nach dem Halt beim Gemüsehändler zum Kauf der Kokosnuss für den Sundowner konnte man fast schon die Uhr stellen. Regelmäßig zauberte der Nachbrenner eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang magische Farben in den Himmel, und zwei Mal ging es nach der abendlichen Plünderung des Buffets auch mit Stativen zurück zum Strand, wo sich die Fotointeressierten nach meinen Monologen über HDR- und Panoramafotografie und Tipps zu Tigerhai-Snapping dann auch von exotischem Kauderwelsch über  Langzeitbelichtung, ISO, Sternenbahnen und Streulicht vom Vollmond-Streulicht verwirren ließen. 😀
Aber das ist ja ein kleiner Preis für ansehnliche Nacht- und Sternenfotos.
Leider trockengefallen war das größte Feuchtgebiet der Malediven, sodass das kollektive Heilschlammbad ausfallen musste. Trotz der äquatornahen Lage am Südende der Malediven hatte es seit Monaten nicht mehr ausgiebig geregnet. Der Anblick verbrannter Sumpflandschaft stimmte nachdenklich, besonders auch im Hinblick auf ähnliche Erfahrungen in den vergangenen Jahren wie etwa im Okavango Delta… Klimawandel, anyone?
Nach dem abschließenden Strandbarbeque – ein paar Tage zuvor wurde die gesamte Reisegruppe bei einer deutschsprachigen Malediverin mit Wohnsitz in der Schweiz zum Essen eingeladen – ging es mit reichlich Eindrücken, vollen Speicherkarten und dem einen oder anderen aufgelesenen Tigerhai-Zahn im Gepäck zurück nach Malé und per Speedboot zur Insel Guraidhoo.
Obwohl der Pool im schmucken Gästehaus Rosy Villa die meisten direkt in ihren Bann zog und der frühe Abflug gegen 4 Uhr sicher allen in den Knochen hing, hatten mehr als sechs Teilnehmer noch genügend Sprit im Tank um nachmittags und nach Einbruch der Dunkelheit in die Fluten des Süd-Malé-Atolls einzutauchen. Bereits nach dem ersten Tauchgang des nächsten Morgens stand der Lieblings-Spot für die finalen drei Tage fest: Nicht, dass der Guraidhoo Channel, in dem einige Glückliche neben Geistermuränen, Süßlippenschwärmen und diversen Haien endlich ihren Segelfisch zu Gesicht bekamen, von schlechten Eltern gewesen wäre, aber „Kandooma Thila“ bot unglaubliche Szenen: In der mitunter reißenden Strömung sauste man entlang von Doktorfischschwärmen und Weichkorallen-Wänden bis zur Kante eines Canyons, in dem Adlerrochen im Dutzend, Napoleons, Schildkröten auf der Bühne auf- und abtauchten und kaum weniger als hundert Grauhaie wie aufgereiht in der Waschanlage auf den Service der Putzerstation warteten. Gut, dass es an der Tauchbasis Riffhaken gab und dass mit DivePoint-Gründer Marcus Hauck jemand dabei war, der nach 30 Jahren in der Region ganz genau weiß, wie man den Platz betaucht. Er war es auch, der uns nachmittags zu einem einst durch die Korallenbleiche zerstörten Platz lotste, welcher die enormen Selbstheilungskräfte von Mutter Natur eindrucksvoll unter Beweis stellt: Intakte Tischkorallenlandschaften wohin das Auge blickt, selbst im fünf Meter flachen Wasser. Und so bekamen die Reiseteilnehmer wie geplant nach einem isolierten Hochsee-Tauchrevier mit wenig Nährstoffen und Tigerhaien nun das typisch maledivische, bunte und artenreiche Rifffisch-Gewusel zu sehen.
Als eine der ersten für Tagesbesucher geöffneten Einheimischen-Inseln des Landes hat der Tourismus auf Guraidhoo eine gewisse Tradition, befindet sich aber in einer Metamorphose. So wie auf vielen anderen zentralen Inseln wurde das Eiland mit aufgeschüttetem Sand und Muschelkalk aus der Lagune um ein Fünftel vergrößert. Die wenigen Cafés und Saftbars dürften also Gesellschaft bekommen, sobald die Zentralregierung in Malé die Landnutzungsplan abgesegnet hat. Die Palmen am von allen Blickwinkeln abgeschirmte „Bikini Beach“ – ja, die Malediven sind ein konservatives Pflaster – ähneln derzeit noch eher Halmen. Aber wenn ein Einheimischer einen zahmen Ara namens Tokyo auf seinem Motorroller für Fotos mit Touristen spazieren fährt, kann der Ausbau einer echten Infrastruktur für Gäste nur eine Frage der Zeit sein. Bis dahin bleiben „Local Islands“ charmant-unperfekt – wie jedes Abenteuer war auch diese Reise nicht frei von Pannen, man bewegt sich nun einmal in der Dritten Welt – doch am Ende des Tages füllen sie nach dem Wandel vieler Inselresorts vom Taucher- zum Wellness-Ziel genau die Nische für Vieltaucher: Dank geringerer Unterbringungskosten sind unterm Strich längere Aufenthalte mit mehr Tauchgängen möglich.
Und das war auch ein Anspruch der Insel – weniger Luxus, aber mehr Eindrücke fürs Leben. Denn welche Reise bietet all dies zugleich: Tiger- und Fuchshaie (und drei weitere Hai-Arten), Radtouren, die ganze Pracht maledivischer Riffe, authentisches Inselleben und Kilometer lange weiße Sandstrände? Wer dabei war, wird die Reise noch lange in Erinnerung behalten… Wetten? 😊

Und wer in Zukunft bei einer Gruppentour mit Absolut Scuba und mir dabei sein möchte, wird hier fündig: Gruppen & Spezialreisen

Bilder © Daniel Brinkmann

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